Forum - Werkzeug für authentische Kommunikation
Shownotes
Diese und weitere Folgen des Terra Nova-Podcast von Christa Dregger finden Sie unter:
www.zeitpunkt.ch
https://terra-nova.earth
ZEGG: https://www.zegg.de
Terra-Nova Gemeinschaft Ostsee: https://www.terranova-begegnungsraum.de
Forum-Basiskurs im Mai 2025 im Schloss Glarisegg:
https://schloss-glarisegg.ch/seminar_events/forum-basiskurs/
Weitere Infos zu Forumskursen und Leitungsausbildung unter:
transforum.zegg.de
und
www.zegg-forum.org
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00:00:13: Christa: Hallo und herzlich willkommen zum neuen Terra Nova Podcast. Das Forum ist eine Kommunikationsform für Gruppen und Gemeinschaften, bei denen die Dinge angesprochen und gezeigt werden können, die im normalen Alltag unter den Tisch fallen. Wie wichtig, dass wir Gruppen ist, so eine Transparenz zu haben, wie ein Forum funktioniert, was man braucht, um Forum zu leiten, darüber spreche ich mit zwei Frauen, die schon lange selbst in Gemeinschaften leben und Forum auch in vielen anderen Gemeinschaften unterrichten. Das sind Barbara Stützel aus der ZEGG Gemeinschaft in Brandenburg. Sie ist Diplom Psychologin und psychologische Psychotherapeutin, Theaterfrau und Sängerin und Gemeinschaftscoach. Und Ina Meyer Stoll.Sie ist Sozialpädagogin, war Mitbegründerin des ZEGG und lebte dort über dreiig Jahre, bis sie im letzten Jahr den Terra Nova Begegnungsraum an der Ostsee mitgründete. Sie unterstützt andere Gemeinschaften, gibt Seminare für systemische Aufstellung und ist Gastgeberin des Biohotels Gutnesdorf. Beide geben im Mai einen Forumskurs im Schloss Glarisek in der Schweiz. Das Gespräch ist also auch eine Einstimmung für Menschen, die sich überlegen, daran teilzunehmen. Ich wünsche euch eine gute Inspiration.
00:01:39: Christa: Hallo Ina. Hallo Barbara. Ja, bevor ich zum Thema Forum komme, möchte ich euch mal ganz persönlich warum lebt ihr selbst eigentlich in Gemeinschaft?
00:01:49: Barbara: Ich lebe in Gemeinschaft, weil ich hier einfach mich mehr verbunden fühle mit Menschen, mit mir, mit der Welt. Also tatsächlich ist für mich Gemeinschaft ein Ort, wo ich viel tiefer andere kennenlernen kann und dann über die anderen auch mich kennenlernen kann. Also ich habe irgendwo ein stärkeres Gefühl von Verbundenheit.
00:02:14: Christa: Danke.
00:02:15: Ina: Und ja, das Wort Verbundenheit greife ich gleich mal auf. Ich fühle mich einfach wohl unter Menschen. Und ich glaube, dass der Gedanke von Individuum einfach eine sehr begrenzte Vorstellung von Menschsein ist. Also klar bin ich ein Individuum, aber ich bin zutiefst von anderen Menschen abhängig. Und das in einer Klarheit und Schönheit und Verbundenheit zu leben, in Gemeinschaft gemeinsam zu lernen, zu wachsen, sich zu unterstützen, ja, sich gegenseitig zu helfen.
00:02:53: Christa: Ja, ihr lebt also auch schon sehr, sehr lange in Gemeinschaft, wie ich selber übrigens ja auch. Und in den Gemeinschaften, wo ich gelebt habe, haben wir oft gesagt, ohne Forum würden wir wahrscheinlich gar nicht mehr existieren. Denn im Forum erzählen wir uns Dinge, die wir uns am Küchentisch eben nicht so erzählen, im Alltag nicht erzählen können. Ich möchte euch als erstes was ist das Forum?
00:03:19: Ina: Also für mich ist das Forum eine ritualisierte Kommunikationsform für Gemeinschaften oder Gruppen, die was miteinander vorhaben. Und es ist ein geschützter Raum, ein geleiteter Raum auch meistens sitzen die Menschen im Kreis und dann ist das Forum wie eine Bühne für alles, was menschlich ist. Forum heisst ja eigentlich auch sowas wie Marktplatz, also ein Ort für das Leben, würde ich mal sagen. Und im Forum trete ich aus dem Schutz des Kreises in die Mitte. Das ist natürlich ein Mutschritt auch. Und es ist so eine innere Entscheidung, das, was mich im Inneren bewegt, sichtbar zu machen. Also oft sehen wir uns und wir denken, wir wüssten jetzt, was denkt die andere oder was beschäftigt ihn oder sie. Und im Forum nehmen wir uns richtig Zeit für einen Menschen und schauen tiefer auf die inneren Beweggründe. Und das hat eine grosse Kraft natürlich auch, wenn ich dann gesehen werde mit dem. Und Forum heisst für mich eben auch, ich komme dann an Stellen, wo ich mich vielleicht noch gar nicht so gut auskenne und werde dann von einer Begleitung unterstützt, auch da tiefer hinzuspüren, zu schauen, was denke ich da, was fühle ich da. Und es ist wirklich eine starke Kraft von Verbundenheit, die dadurch entsteht. Wir haben eben in unseren ersten Gemeinschaftsjahren so stark formuliert, gesehen werden ist auch geliebt werden oder sehen ist lieben. Wenn ich jemanden wirklich tiefer sehe, was ihn innerlich bewegt, dann entsteht ein Liebesgefühl, vielleicht sogar ein unpersönliches oder ein halbpersönliches Liebesgefühl, aber es entsteht eine eben starke Verbindung und eine grosse Kraft, die, das mag ich noch ergänzen vom Forum ist für mich eben, dass wir dann auch erfahren dürfen, was hat jetzt mein Teilen in der Mitte bei den anderen Menschen ausgelöst. Also wir bekommen Spiegel. Und das ist für mich wirklich so das Gold vom Forum, dass es nicht nur darum geht, dass ich mich mitteile, sondern auch von den anderen höre. Was macht das mit euch? Was möchtet ihr mir sozusagen zurück sagen, zurückfüttern?
00:06:01: Barbara: Für mich ist das Forum ein Raum von Präsenz. Also das ist der Raum, wo wir ein Stück austreten können aus bestimmten Konzepten, Bildern, vielleicht vorgefertigten Gedanken über uns selber oder über die anderen. Und wo es darum geht, in dieser Mitte, die Ina gerade beschrieben hat, ganz authentisch auch tiefere Schichten wahrnehmen zu können, von dem, was ich denke, auch zu dem, was ich fühle. Was will vielleicht mein Körper dazu sagen? Welche andere Ebenen kann ich, wenn ich ganz die Aufmerksamkeit darauf richte, auch noch wahrnehmen in mir? Und das ist halt viel einfacher, wenn es auch ein Zeugenschaft gibt. Und das Forum hat diese Magie, dass es den Kreis gibt, innerhalb dessen ich spreche. Und der Kreis ist in unserem Bild eben auch von der Haltung geprägt, von Wohlwollen, von Neugier, von Empathie. Und dieser andere Blick von anderen hilft mir auch, wenn ich in der Mitte bin, noch mal stärker mir zu erlauben, auch Dinge zu fühlen und wahrzunehmen, die ich sonst vielleicht verdrängt habe. Also in dem Sinne schafft diese Präsenz mit dem, was wirklich jetzt gerade authentisch ist, ein tieferes Verständnis über das, was Mensch sein ist, was ich bin, was vielleicht auch zwischen uns steht.
00:07:25: Christa: Ja, also diese Dinge, die zwischen uns und anderen stehen, das sind ja oft gar nicht so angenehme Dinge. Das sind oft unangenehme Dinge, die wir übereinander oder zueinander auch einmal sagen müssen oder auch peinliche Dinge. Und ich kann mir vorstellen, dass es oft eine Schwelle ist. Wenn man die nicht gewöhnt ist, ist die ganz schön gross. Wie geht ihr damit um?
00:07:50: Ina: Ich glaube, es braucht immer wieder von einer Gruppe die Entscheidung, dass das jetzt etwas Wertvolles ist, wenn wir beginnen, uns tiefer voreinander zu zeigen. Also Forum hat für mich auch mit so einer Freude am Forschen zu tun, dass wir immer wieder neu hingucken. Und dieses neu hingucken, das finde ich auch gerade in Gruppen, die sich denken, schon länger zu kennen, richtig wichtig. Also dass wir immer wieder mit so einer liebevollen, mit so einem Entdecken wollen hinschauen und dann eben tatsächlich zu schauen, ah ja, auch schwierige Dinge wollen geteilt werden und mir da auch helfen zu lassen, wie kann ich schwierige Dinge so ausdrücken, dass sie nicht einen Kontaktabbruch schaffen, sondern sondern dass letztendlich dadurch auch wieder mehr Kontakt entsteht. Wenn ich sagen kann, Mensch, das stört mich total und ich kann das mal auf den Punkt bringen oder mir wird auch geholfen, das auf den Punkt zu bringen, dann kann dadurch eben wieder eine tiefere Verbindung entstehen. Und oft im Alltag haben wir so schnell so die Dinge, wo wir uns dann trennen oder innerlich abwenden. Ich glaube, das Forum ist eine Suchbewegung, sich wieder zuzuwenden.
00:09:11: Barbara: Gerade weil das ja im Alltag so schwierig ist oder eben wir normalerweise gar nicht machen, bestimmte Sachen zu zeigen, ist es wichtig, Räume zu schaffen, in denen wir wie ein anderes Paradigma aufstellen. Also für mich ist das tatsächlich die Grundvoraussetzung auch schon für das Forum, dass ein Kreis sich gemeinsam auf diese Werte und diese Haltung einschwingt. Also dass wir eben nicht denken, wenn ich jetzt einen Fehler zugebe oder eine Schwäche oder meine Ängste mitteile, dass ich dann verurteilt werde von den anderen, sondern dass das eben wirklich willkommen geheissen wird als Teil des Gesamtforschungsraums.
00:09:51: Christa: Ja, und in den Anfängen des Forums haben wir auch oft gesagt, das ist keine Therapie, das ist Kunst. Und du als Theaterfrau, Barbara, als ehemalige Theaterfrau kennst dich ja mit Kunst ziemlich gut aus. Vielleicht kannst du mir ja mal sagen, wo ist die Grenze zwischen Therapie und Kunst beim Forum.
00:10:12: Barbara: Für mich hängt es insofern zusammen, dass ja diese Mitte auch eine Bühne ist. Und den Begriff Bühne bezeichne ich jetzt mal als einen Raum von Freiheit. Also das Kunst und Theater schafft ja am besten Sinne auch einen Möglichkeitsraum, wo Dinge gedacht werden, geträumt, gefühlt, in eine Form gebracht werden, die bisher noch nicht existiert haben. Und das ist für mich jetzt wieder die Brücke zum Forum. Also auch im Forum gibt es die Möglichkeit, mal Dinge auszuprobieren, von denen ich vielleicht mich bis dahin noch nicht, mir noch nicht vorstellen konnte, dass sie zu mir gehören oder mich noch nicht getraut habe. Es ist diese Probesituation, mal einfach in eine Energie reinzugehen, die ist da möglich, und kann deswegen auch den Raum einfach von jemandem, den Möglichkeitsraum vergrössern. Und eben weil das Forum nicht nur über Sprache funktioniert, sondern auch über Körperausdruck, über Energie, da ist für mich auch eine Parallele zum Theater. Theater ist ja für mich persönlich jetzt lebendiger als ein Buch oder so, weil es eben die Energiequalität dazu hat. Und das hat das Forum halt auch. Also nicht nur was sagt jemand, sondern wie und mit welcher Mimik, mit welcher Körperhaltung, mit welcher Energie. Manchmal kommt auch in nonverbalen Räumen im Forum viel mehr rüber, als wenn jemand ewig was sprechen würde. Diese Qualität ist da mit dabei.
00:11:36: Christa: Und noch mal zur Frage nach der Therapie.
00:11:39: Ina: Ich würde mal sagen, Forum ist eine wunderschöne Form, tiefer zu entdecken, wo ich mich schon etwas auskenne. Und dann gibt es aber, glaube ich, in jedem von uns auch traumatische Schichten, wo wir uns nicht so gut auskennen. Und da würde ich eben sagen, das gehört tendenziell eher in einen noch intimeren Raum, vielleicht in einen Raum zu zweit, als in ein Forum. Also nicht alles, was in uns sozusagen im Innenraum da ist, möchte wirklich schon einer grossen Gruppe gezeigt werden. Und Forum und Therapie kann sich wunderbar ergänzen. Also für mich hat Forum immer was mit Neuschöpfung auch zu tun. Ich darf, wie die Barbara gerade sagte, ich darf mich auch ein Stück weit neu erfinden, ich darf mich ausprobieren. Der therapeutische Rahmen, da darf ich mich auch ausprobieren, aber der ist für mich noch mal mehr gehalten, noch mal mehr wirklich ein geschützter Raum. Und das Forum ist definitiv auch ein experimenteller Raum. Und dazu braucht es wie so eine Entscheidung auch von der Gruppe, dass wir auch immer wieder gemeinsam etwas ausprobieren und dann hinterher was reflektieren. Wie war das jetzt? Und für uns war, oder auch für mich war schon der Gedanke, dass ich auch mich künstlerisch ausdrücken kann, immer wieder sehr freudig immer wieder zu merken, muss gar nicht so normal sein oder so denken, so bin ich aber jetzt und so bin ich eben. Zack, ja okay, so bin ich eben. Und dann aber zu merken, oh, und ich bin ja noch viel mehr. Und dass das Forum diese Vielfalt in mir anspricht und ich kann vielleicht eine neue Perspektive dazugewinnen, indem ich mal was ausprobiere, mich verfremde auch manchmal ein Stück oder eben in die Kunst gehe. Da würde ich aber eben auch sagen, ich habe mal den Unterschied gehört, so dass es bei einer Performance darum geht, sozusagen immer so im Moment auch echt zu sein und das auszudrücken, was jetzt ist. Und deswegen ist für mich Forum eigentlich sehr nah an der Performance dran.
00:13:57: Christa: Ihr wendet Forum nicht nur im ZEGG an, ihr reist auch in viele andere Gemeinschaften und lehrt es dort. Ihr habt ein richtiges Seminarprogramm für Forum entwickelt und viele andere Gemeinschaften lernen das von euch, ist sozusagen wie ein Exportgut vom ZEGG. Was ist am Forum so wichtig für andere Gemeinschaften, dass sie es von euch lernen möchten?
00:14:20: Barbara: Ich würde sagen, gerade in Gemeinschaften sind ja mehr Menschen zusammen als jetzt zu zweit, zu dritt. Also es sind oft grössere Gruppen. Und da ist eine Tendenz, die ich erfahren habe, dass man eben nur bestimmte Aspekte von Menschen mitbekommt und sich damit manchmal bestimmte Bilder baut und das dann zu Konflikten und Eskalationen führt, einfach auch aus Zeitgründen. Man kann ja auch gar nicht mit vielleicht dreiig oder bei uns 100 Menschen so intim zusammen sein, dass wir alles voneinander erfahren. Und dann ist es so normal bei Menschen, dass man sich ein Bild baut. Und die haben aber oft mit der Realität gar nicht so viel zu tun. Und daher habe ich die Erfahrung gemacht, wenn ich Menschen dann noch mal auf einer anderen Ebene sehe und mit ganz anderen Erforschungen, warum sie was denken z.B. also nicht nur eine Meinung jetzt höre und meine Abstimmung, ich denke so und so, ich will das und das, sondern viel tiefer erfahre, warum jemand was denkt und fühlt, dass ich dann ein ganz anderes Verständnis habe. Und aus diesem Raum von Verstehen, was einfach ein weicherer, verbundenerer Raum ist, können ganz andere Lösungen gefunden werden für Konfliktsituationen.
00:15:32: Christa: Würdest du denn sagen, dass das Forum ein Konfliktlösungswerkzeug ist? Also dass das Forum hilft, Konflikte zu lösen?
00:15:40: Barbara: So rum würde ich es definitiv nicht sagen, weil das Forum dient eher der Konfliktprävention oder dem tieferen Verständnis. Also so wie du es beschreibst, wäre das ja so so, wenn ich Zahnweh habe, gehe ich zum Zahnarzt und das Forum wäre eher so das Zähneputzen. Also sozusagen das kontinuierliche sich verständigen, kontinuierliche sich kennenlernen und sich vertiefen. Und in dem Sinne beugt es bestimmten Konflikten vor.
00:16:07: Ina: Also praktisch, wenn ich jetzt einen Konflikt habe, dann beleuchte ich im Forum meinen Innenraum dazu. Was fühle ich? Was denke ich, was bringt mich auf? Und ich rede gar nicht so viel über die andere. Also beim Konflikt sind wir ja oft sehr in der Dualität. Und das Forum kann nach meiner Meinung schon helfen, dass Konflikte wieder in einem weiteren Raum gehalten sind oder auch, dass die ganze Gruppe weiss, hey, es sind nicht nur zwei Menschen, die einen Konflikt haben, sondern der findet ja in einem Umfeld statt, wo alle beteiligt sind. Entweder auch durch nicht was sagen, durchweg gucken. Also Forum kann da was unterstützen. Aber ich würde auch sagen, Forum ersetzt kein normales Gespräch miteinander oder ersetzt ganz viele Dinge nicht, sondern es ist eine Erweiterung, in der Gemeinschaft sich erfahren kann. Und das ist wie eine ganz andere Qualität. Und es braucht aber viele Qualitäten sozusagen, damit eine lebendige Kommunikation in Gemeinschaft da ist. Ich sage noch den einen Gedanken, dass wir eben oft in der Gemeinschaft sehr alltäglich sind, weil wir ja einfach so viele alltägliche Dinge zu bewegen haben und dass wir eben immer wieder auch spezielle Räume brauchen, wo wir uns tiefer mit unserem menschlich sein befassen dürfen und dass dadurch Dinge wieder flüssig werden können, die sonst im alltäglichen ganz schnell sehr fest werden, sei das in einer Meinung übereinander oder als Haltung. Und dieses immer wieder flüssig miteinander werden, das finde ich eben auch etwas ganz, ganz Wichtiges für Gemeinschaft. Und da hilft das Forum definitiv.
00:17:57: Christa: Also Forum kann ja auch manchmal sehr heiter sein. Und ich kann mich erinnern, dass man im Forum manchmal sich ausschütten kann vor Lachen mit Leuten zusammen, mit denen man sich vorher noch gestritten hat. Also das hilft ja ein bisschen auch bei der Konfliktbewältigung, würde ich sagen.
00:18:10: Barbara: Da möchte ich mal gerne was ergänzen. Ja, genau den Aspekt, den Ina vorhin benannt hat mit den Spiegeln, das finde ich gerade in Konfliktsituationen auch noch mal eine ganz wichtige Qualität, weil wenn eine Person sozusagen ihren Anteil des Konfliktes beleuchtet, dann bekommt sie ja auch von dem umliegenden Kreis Spiegel, die auch noch mal bestätigen oder verstärken können, was denn der eigene Anteil sein kann. Und das ist ja oft so, dass wir gerade in Konfliktsituationen ja unseren eigenen Anteil nicht sehen können. Da ist ja so ein blinder Fleck. Und wenn zwischen zwei Menschen ein Konflikt ist, sind es meistens genau an den Stellen, wo die beiden blinden Flecke aufeinanderstossen. Und wenn dann jede Person getrennt voneinander über die Spiegel der Gruppe auch ein Stück mehr diese blinden Flecken beleuchten, kann, dann entsteht oft ganz viel Lösung schon oder ganz viel Entspannung und Möglichkeiten halt für neue Schritte. Und da finde ich tatsächlich die Spiegeln sehr, sehr hilfreich.
00:19:17: Christa: Ja, sehr gut, dass wir jetzt mal zu diesem Thema kommen, das Spiegeln, weil das ist ja etwas, was wir in der Gesellschaft gar nicht gewöhnt sind. Wir kriegen ja keine Rückkopplung von Menschen, keine Spiegel und da drängt sich mir natürlich die Frage auf, was ist spiegeln, wie geht das? Worauf sollte man dabei achten?
00:19:37: Barbara: Erstmal ist ein Spiegel, das ist ja ein Begriff von uns aus der Zeckforum Sprache, ein Spiegel ist ein Feedback. Das ist das, was ich der anderen Person mitteile, wie sie auf mich wirkt, was ich dazu denke, was ich dazu fühle, was in mir geschieht, wenn ich der anderen Person zuhöre. Also es ist wie so ein Resonanzraum. Was für eine Resonanz entsteht in mir, wenn ich eine Person in der Mitte höre und sehe. Und das ist tatsächlich, wie du sagst, in der Gesellschaft ja eigentlich ganz unüblich, dass wir uns darüber austauschen, was macht das mit dir, wenn ich sowas sage oder wie geht es dir denn damit? Also manchmal finde ich Spiegel ein bisschen irreführend, weil das klingt so, als würde man ganz direkt nur zurückgeben, was die Person gesagt hat und das ist nicht so, sondern ich gebe auch zurück, was in mir davon gelandet ist, was es ausgelöst hat mich, was z.B. Ängstlich, wenn ich was höre oder traurig macht oder so. Also auch was in mir dazu passiert, das gehört auch in dieses Feedback mit hinein. Und das schafft einfach eine Art Beziehung. Also es entsteht eine Beziehung zwischen den Menschen in der Mitte und den Menschen im Kreis.
00:20:52: Ina: Also wir sagen ja auch immer wieder, das Forum für uns so eine eine Vision ist, wie könnten eigentlich Menschen miteinander umgehen? Und ich finde das schon wirklich auch eine Armut in unserer gesellschaftlichen Kultur, dass wir uns eben so wenig Resonanz geben oder wenn dann einfach muss man bestimmten Bildern entsprechen, bestimmten Moden entsprechen und dass wir uns wirklich eine Rückmeldung geben, wie ist das bei mir angekommen, was ich gerade gehört habe von dir, was bewegt das in mir? Dadurch habe ich sehr viel gelernt und oft ist es auch, dass wir ganz viel zusammen an Wertschätzung zurückhalten, wie wichtig wir füreinander sind und auch dafür sind eben Spiegel ganz, ganz kostbar. Und wir machen das auch so, dass die Spiegel auch geleitet sind und ich auch, wenn ich einen Spiegel gebe, in die Mitte gebe. Das ist so ein Ausdruck, das ist jetzt mein subjektiver Aspekt, nicht die absolute Wahrheit. Und das ist auch richtig wichtig, dass Spiegel auch geleitet werden, damit es, ja, es geht nicht darum, sich jetzt gegenseitig zu verurteilen oder in so eine Bewertung zu gehen, sondern eine Resonanz zu geben.
00:22:15: Barbara: Es ist auf jeden Fall ein komplexer Aspekt, die Spiegel. Und deswegen ist es auch gut, da Kurse zu machen oder auch eine Leitungsausbildung. Also damit wir gerade in solchen Feedbacks lernen, wie können die so gegeben werden, dass es wirklich unterstützend und heilend wirkt und nicht wieder trennend? Und wie können sie trotzdem dabei ganz authentisch und ehrlich sein? Also weil es geht ja nicht darum, sich irgendwie Honig um den Mund zu schmieren, sondern auch mit manchmal konfrontativen Spiegeln jemanden zu unterstützen und trotzdem aber so, dass sie auch aufgenommen werden können, dass sie aus einer liebevollen Empathie entstehen.
00:22:56: Christa: Ich habe noch mal eine Frage dazu, weil wahrscheinlich kennt ihr das auch, dass die meisten Menschen sich doch halb mehr oder weniger unbewusst den Blicken der anderen unterordnen oder sich so verhalten, dass es anderen auch gefällt. Der Blick der anderen ist der Tod meiner Möglichkeiten. Das hat schon Jean Paul Sartre gesagt. Und im Forum könnte das ja auch extrem sein, weil die anderen zum Lachen zu bringen oder die Aufmerksamkeit der anderen zu nutzen, den Applaus haben zu wollen, das ist ja nicht unbedingt das, was beim Forum geschehen soll. Das könnte ja wieder erneuten Anpassungsdruck erzeugen. Gibt es das bei euch oder wie geht ihr damit um?
00:23:39: Ina: Ich glaube, erstmal muss man ja, das gibt es. Und nicht so zu tun, als gäbe es das nicht. Und dann kann ich mich da schon wieder anders hinein entspannen. Und für mich ist da die Öffnung, immer wieder rauszufinden, was heisst denn für mich jetzt authentisch werden? Also wer bin ich wirklich? Und da ein Stück weit mehr meiner Wahrheit näher zu kommen oder in meine Essenz zu kommen. Und in meiner Essenz bin ich nicht angepasst, sondern da bin ich pur, da bin ich ja unverstellt. Ich würde mal sagen, auch Forum hat immer wieder mit Gnade zu tun, dass wir die Gnade einladen, dass wir uns in unserer Essenz begegnen können und dadurch tiefer aus diesen Anpassungsschichten auch austreten können und auch uns im Forum Mal zeigen, ja, wie bin ich eigentlich noch? Also in diesen nicht so freundlichen Aspekten kann ich mich auch mal künstlerisch ausdrücken. Dafür machen wir eben auch tatsächlich die Ausbildung, damit das noch ein bisschen komplexer verstanden werden kann, Welche Möglichkeiten habe ich? Aber für mich ist die Forumsarbeit immer wieder ein Vorgang, gemeinsam in die Essenz des Menschseins zu kommen.
00:25:02: Barbara: Ich glaube, da ist einfach wichtig, noch mal zu betonen, dass ein Forum jetzt nicht einfach nur in irgendeiner zusammengewürfelten Gruppe einen Kreis bilden kann. Jemand geht in die Mitte und das ist dann das Forum. Sondern dass es eben genau um diese Sachen vorzubereiten, aufzuwärmen, auch eines bestimmten Raumes braucht. Also wie ist die Gruppe miteinander, wie guckt sie aufeinander? Und eben so eine. Es gehört auch Humor dazu und Leichtigkeit. Und dass ich auch mal Stellen, die ich nicht gut finde an mir, trotzdem sagen kann, obwohl ich. Oder dass ich mich vielleicht eben nicht so damit identifiziere, oder also dieses Gefühl dafür, dass es Menschsein eben viel mehr ist und dass ich, wenn ich mich zur Verfügung stelle, auch für schwierige Themen, dass das ein Gewinn ist für die anderen. Dass das eigentlich ein grösserer Gewinn ist, als nur meine Sonnenscheinseite zu zeigen und jetzt will ich gemocht werden. Das ist tatsächlich eine tolle Erfahrung, dass gerade Stellen, von denen ich sonst manchmal Angst habe, dass sie mich zur Trennung führen, dass ich dann die Erfahrung machen kann. Es verbindet mich aber mit anderen, wenn ich sie zeige. Also das war für mich eine die grösste Entdeckung im Forum. Ich sage was nicht aus Angst vor Trennung. Und im Forum lerne ich, es gibt einen Raum, wo ich sprechen kann und es verbindet mich.
00:26:18: Christa: In euren Kursen lernt man ja auch, wie man ein Forum leiten kann. Also jedes Forum wird ja geleitet. Und das ist ja schon mal etwas Ungewöhnliches, weil in vielen Gruppen wird ja Leitung überhaupt auch abgelehnt. Was heisst es also, ein Forum zu leiten? Wie kann man so viel Vertrauen erzeugen, dass Menschen sich dann auch leiten lassen im Forum?
00:26:43: Ina: Grosse Frage. Also was wir trainieren, ist immer wieder eine Haltung, wo ich einen grossen Raum zur Verfügung stellen kann. Es sind ja immer wieder unterschiedliche Menschen. Und dass ich einen Raum gebe für diese Unterschiedlichkeit von Menschen z.B. und dass ich da auch lerne, die Themen. Man könnte ja sagen, im Forum geht es darum, nichts Menschliches ist mir fremd. Dazu muss ich z.B. selber auch in mir einige Themen kennen. Wie ist das, wenn jemand wütend wird oder traurig? Kann ich selber mit diesen Gefühlen sein oder auch mit den Emotionen? Und wie begleite ich da Menschen? Für mich heisst Forum die Leitung, eben eine Begleitung, aber da ist jemand präsent. Also für mich hat Forum leiten einfach sehr viel damit zu tun, auch in Kontakt gehen zu können und Raum geben.
00:27:44: Barbara: Ich kann das, könnte das noch mal wiederholen, so die Stelle, wo ich selber mit meinen eigenen Gefühlen lerne umzugehen, das ist, glaube ich, wichtig. Oder mit meinen eigenen Engstellen oder mit meinen eigenen spontanen Reaktionen, die manchmal vielleicht nicht dem Raum dienen. Also kann man das lernen? Ist eine gute Frage. Ich glaube, ja. Ich glaube, man kann lernen, tatsächlich den eigenen inneren Raum immer wieder wahrzunehmen und zu vergrössern. Und wenn ich das in mir kann, dann kann ich das auch in der Situation im Forum leichter. Und es ist ein einen Lernschritt überhaupt in wie kann ich Räume halten, wie kann ich konstruktiv in Konflikten agieren? Das ist ein längerer Lernprozess und wir geben mit unseren Kursen die Bausteine dazu. Also ich kann jetzt nicht garantieren, dass jeder, der die Kurse durchlaufen hat oder die, dass die dann hinterher in allen Situationen ausbalanciert reagieren kann. Aber es gibt eine andere Achtsamkeit darauf und ein anderes Wissen vielleicht über meine eigenen Schwachstellen und auch ein paar Handwerksschritte. Wie kann ich damit umgehen, wenn ich in eine Enge komme?
00:29:01: Christa: Ihr habt ja die Jahresausbildung, die sogenannte Transforumsausbildung. Die besteht ja darin, dass man sich immer wieder wochenweise trifft. So ist es doch, oder?
00:29:13: Ina: Genau. Am Anfang geht es erstmal darum, das Forum kennenzulernen und die Magie, die dann ein Forum erzeugen kann, zu erfahren. Und da durchläuft man verschiedene Seminare. Und wenn ich mich dann entscheide, in die Leitungsausbildung zu gehen, dann haben wir entdeckt, ist es wertvoll, dass die Menschen, die das gemeinsam entscheiden, also das sind dann vielleicht so 10 bis 20 Menschen, dass die auch untereinander eine Gemeinschaftserfahrung machen, weil die dann wiederum Teams zusammenstellen, in denen sie Forum leiten. Ein Teil der Ausbildung ist eben auch ein grosser Praxisteil, weil dadurch lernt man natürlich besonders intensiv, wenn ich selber dann anfange, andere Menschen zu begleiten. Und das heisst, wir versuchen am Anfang der Ausbildung einen gemeinschaftlichen Lernraum zu erzeugen und wo wir auch Gemeinschaftswissen vermitteln, noch mal verschiedene Aspekte von Forum, Kommunikationstechniken und die Gruppe eine Gruppe wird, die jetzt gemeinsam da dann Forum lernt, so gut das eben geht. Und dann gibt es eigentlich immer Module, die dann noch mal eine Woche dauern, weil wir eben auch gemerkt haben, es braucht richtig einen Erfahrungsraum, auch Dinge auszuwerten, zu vertiefen, sich dann gegenseitig zu sehen, wie leite ich jetzt diese Person, eine Gruppe. Also das ist dann schon eine intensive, ich finde wunderschöne Erfahrung und ich freue mich, dass wir jetzt da noch mal in einen neuen Zyklus gehen.
00:30:56: Barbara: Ich finde in der Leitungsausbildung am schönsten die Momente, wo wir ganz, ganz fein gucken, was passiert eigentlich gerade? Was passiert in dieser Interaktion? Was passiert in diesem Menschen? Also so, wenn ich als Leitung diesen Impuls habe und hineingebe, was löst es aus? Also wir können da richtig fein auch mal auf Momente gucken und damit so viel lernen, wie Interaktionen funktionieren. Das mag ich einfach.
00:31:28: Christa: Gibt es so was wie Ausschlusskriterien fürs Forum? Also Situationen, in denen man das Forum lieber nicht anwenden sollte oder in denen es vielleicht nichts nutzt?
00:31:39: Ina: Also ist jetzt auch noch mal eine grosse Frage, ich weiss nicht, ob man die schnell beantworten kann. Und für mich gehört z.B. nicht ins Forum, wenn ich selber noch ganz identifiziert bin, wenn ich z.B. gerade getriggert bin. Also wenn ich getriggert bin, dann brauche ich vielleicht die Zuwendung eines anderen Menschen oder einer vielleicht erstmal einer Empathie mit mir selbst, ja. Also auch überhaupt zu lernen, wann bin ich getriggert und das erkennen zu können. Und dafür braucht es dann eben andere Räume. Ich würde sagen, Intensität gehört sehr wohl ins Forum, aber wenn ich eben so ganz getriggert bin, muss ich schon mich wiederum sehr gut kennen, um damit auch im Forum auftreten zu können. Wie würdest du es sagen, Barbara?
00:32:27: Barbara: Ich würde sagen, was sicher nicht ins Forum gehört, ist eine Anklage von anderen und dass ich in die Mitte gehe und mal die Schuld an allem Schwierigen in der Welt nach aussen schiebe. Also das Forum ist kein Raum, mit dem man andere verändern kann. Das Forum ist definitiv nur ein Raum, wo ich herauskriegen kann, was mein eigener Schritt für eine Veränderung sein kann. Also in dem Sinne gehört eine Neugier auf sich selber und auf die eigenen Erforschung unbedingt dazu. Und im Umkehrschluss eben, wenn ich da eigentlich kein Interesse daran habe, eventuell auch blinde Flecken bei mir wahrzunehmen oder so, dann gehört es nicht ins Forum.
00:33:10: Christa: Ist Forum eigentlich etwas, was vor allem oder auch nur für Gemeinschaften nützlich ist, also für Menschen, die auch zusammenleben? Oder kann man sich auch vorstellen, dass das in Bürgerinitiativen oder anderen politischen oder kulturellen Gruppen mit Gewinn angewendet wird?
00:33:29: Ina: Eine wunderschöne Vorstellung. Ich würde mal sagen, Gruppen brauchen die Entscheidung, dass sie anerkennen, dass das Zwischenmenschliche eine grosse Bedeutung hat. Und die wird ja in vielen sonstigen Gruppenzusammenhängen eher nicht so gross gesehen, sondern da werden immer die Sachthemen sehr wichtig gesehen und die sind ja auch wichtig. Aber wenn auch Gruppen erkennen, Mensch, das zwischenmenschliche, das behindert uns eigentlich oft in unserer Zusammenarbeit, in unserer Teamarbeit, wenn wir da nicht aussprechen, wo wir uns gegenseitig verletzen oder wehtun. Es wäre wunderschön, wenn dieses Wissen hey, das Menschliche braucht einen Platz, dann wäre das Forum ein wunderbares Werkzeug. Also ist, nicht wäre.
00:34:19: Barbara: Eine Qualität vom Forum ist, dass es ja auch ganz verschiedene Tiefen haben kann. Also es kann wirklich eine ganz, ganz tiefe Innenarbeit sein, es kann aber auch einfach ein ich teile mit, wie ich mich gerade fühle Aspekt haben. Und ich glaube, dass je nachdem, wie intim eine Gruppe schon miteinander ist oder wie weit eine Gruppe bereit ist, auch sich Sachen mitzuteilen und schon Vertrauen aufgebaut hat, das dann auch mitsteuert, wie wie starks Forum dann auf welcher Ebene es genutzt wird und ich glaube tatsächlich, dass es für viele Gruppen einen Sinn haben kann und dann aber es vorher auf jeden Fall eine Vorbereitung und eine Absprache braucht, damit man diesen Raum erzeugt, auch von Neugier aufeinander und von nicht Verurteilung. Also so mal zwischendurch schnell mal ein Forum einschieben, das wird es nicht sein, sondern es braucht tatsächlich wie eine andere Art Commitment und eine Haltung für diesen rituelleren Raum.
00:35:17: Christa: Ich danke euch ganz herzlich für das Gespräch und ja, obwohl ich Forum ja selber schon lange und gut kenne, war das jetzt noch einmal eine Erinnerung daran, dass Forum eigentlich vor allem Vertiefung bedeutet und auch eine Annäherung an das, was wahr ist unter Menschen, also an das, was wir wirklich denken und fühlen und wie wir uns das zeigen können, wie wir uns da Einblick gegenseitig geben können. Dankeschön. Ich wünsche euch alles Gute, nicht nur für den Forumskurs in Glarisek, sondern überhaupt für eure ganzen Kurse und auch für eure Gemeinschaften. Danke für das Gespräch und tschüss.
00:35:56: Ina: Ja, vielen Dank. Danke dir.
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