Matriarchat und Widerstand

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Davon nennen wir hier vor allem:
Matriarchale Gesellschaften der Gegenwart
Das Matriarchat Band II: Amerika, Indien, Afrika
Stuttgart 2022, Kohlhammer Verlag (überarbeitete Neuerscheinung)

Matriarchale Gesellschaften der Gegenwart
Das Matriarchat Band I: Ostasien, Indonesien, Pazifischer Raum
Stuttgart 2021, Kohlhammer Verlag (überarbeitete Neuerscheinung)

Im Gespräch waren noch erwähnt: die Kulturen der Mosuo in China, das 6-Millionen-Volk der Minangkabau in Sumatra und Juchitán in Mexiko.

Ebenso wird die Archäologin Marija Gimbutas erwähnt, die europäische historische Matriarchate erforscht hat.

Podcast-Gespräch mit Gandalf Lipinkski: Männer fürs Matriarchat

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00:00:17: SPK_1 Herzlich willkommen zum neuen Terra Nova Podcast. Mein Name ist Christa Dregger. Das Patriarchat ist heftig und kurz wie ein Unfall. Das ist einer der Sätze von heidegner Abendroth, die ich vor Jahrzehnten von ihr hörte und die sich mir bis heute eingeprägt haben. Sie ist Begründerin der modernen Matriarchatsforschung und studiert geschichtliche und noch lebende mutterrechtliche Kulturen, deren Werte, deren soziale und politische Strukturen.

00:00:49: SPK_1 Denn bis vor Jahren war die Erde fast überall von mutterrechtlichen Stämmen besiedelt. Die wenigen verbliebenen heutigen Matriarchate haben sich erfolgreich gegen die Übermacht der patriarchalen Herrschaftsgesellschaften gewehrt. Sie scheinen also wirksame Widerstandsformen entwickelt zu haben. Was können wir modernen Menschen davon lernen? Das war eine der Fragen, über die ich mit heidegöttner Abendroth im Gespräch war.

00:01:15: SPK_1 Ich wünsche eine gute Inspiration.

00:01:35: SPK_2 Dann heiße ich dich ganz herzlich willkommen bei mir, Heidegöttner Abendroth. Wir kennen uns schon sehr lange. Wir haben uns vor 24 Jahren getroffen bei einem Frauenkongress, die weibliche Stimme. Ich kann mal gleich sagen, es hat damals meins und auch von vielen Menschen, gerade in Gemeinschaften, das Weltbild sehr stark beeinflusst. Das wissen darüber, deine Forschung darüber, dass es vor unserer normalen, bewussten Zeitrechnung noch eine andere Zeit gab, in der ganz ein ganz anderes System gewirkt hat, nämlich, ich würde mal sagen, das System der großen Mutter, das System der Gemeinschaften, überhaupt das mutterrechtliche System.

00:02:17: SPK_2 Und dass es so was gegeben hat, macht uns Mut, dass es es auch wieder geben könnte.

00:02:24: SPK_3 Darf ich da etwas hinzufügen? Es hat es ja nicht nur damals gegeben, sondern es gibt es ja heute noch. Es gibt ja diese Gesellschaftsform des Materials heute noch in Kontinenten außerhalb von Europa, in Amerika, in Asien und in Afrika. Und das meiste, was ich konnte ich lernen von diesen indigenen matriarchalen Gesellschaften. Denn in der Geschichte ist das eher schwierig, weil man dort nur Fragmente hat und vieles rekonstruieren muss.

00:02:54: SPK_2 Ja, da kommen wir auch gleich drauf zu sprechen, weil wir haben von der Zeitschrift Zeitpunkt ein Titelthema zum Thema Widerstand geplant. Und du hast auf dem letzten Vortrag, den ich von dir gehört habe, gesagt, dass matriarchale Kulturen sehr interessante Widerstandsformen haben. Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, glaube ich, wäre es gut, noch ein bisschen mehr zu verstehen, was heißt das eigentlich, Matriarchat? Und als erstes möchte ich sie fragen, was ich selber auch immer wieder gefragt werde, warum benutzt du eigentlich das Wort Matriarchat? Das heißt doch Frauenherrschaft, und es geht doch eigentlich um herrschaftsfreie Systeme.

00:03:33: SPK_3 Das sind so zwei Grundfragen. Also was ist das Matriarchat? Nach meiner langjährigen Forschung kann ich das auf wenige kurze Begriffe bringen. Es sind grundsätzlich egalitäre Gesellschaften. Das heißt, das Vorurteil von Frauenherrschaft ist völlig falsch, denn Frauenherrschaft, so als die Umkehrung von Patriarchat, das hat es nie gegeben.

00:03:55: SPK_3 Aber egalitäre Gesellschaften, die von Frauen wesentlich geprägt wurden, die gibt es bis heute in verschiedenen Kontinenten. Das heißt, sie sind egalitär, sie sind mutterzentriert, aber nicht, Die Mütter stehen nicht an der Spitze, sondern sie sind im Mittelpunkt des sozialen Gefüges und achten auf die Egalität. Und man erkennt das daran, die Egalität kann man sehen durch ihre politischen Muster, die auch Konsensbildung beruhen. Das heißt, dort hat jede Person ihre Stimme und jede Gruppe kommt zu Wort und sie formulieren alle ihre Entscheidungen im Konsens. Das erzeugt eine egalitäre Gesellschaft.

00:04:38: SPK_3 Das ist das eine. Und zu deiner anderen Frage, warum der Begriff? Ja, ich meine, wir können natürlich alle möglichen Kunstbegriffe erfinden, wie matristisch, matrifokal oder gylanisch und gynaeco, sonst noch was. Nur das sind Kunstbegriffe, die die Menschen nicht verstehen. Denn den Begriff Matriarchat verstehen alle.

00:04:58: SPK_3 Manche reagieren enthusiastisch, manche anderen regen sich auf. Ja, und manche packen ihre Vorurteile aus. Daran sehen wir halt deutlich, dass der Begriff bekannt ist. Und er ist auch bekannt nicht nur als ein Wissenschaftsbegriff, sondern als ein politischer Begriff. Er hat einen politischen Gehalt.

00:05:16: SPK_3 Darum reagieren auch viele Menschen so stark darauf, weil sie das dann unbewusst noch fühlen.

00:05:21: SPK_2 Das ist jetzt interessant, auch gerade, dass du direkt so auf die politische Dimension kommst, weil ich habe das auch wahrgenommen, als ich deinen letzten Vortrag von dir gehört habe, dass du sehr politisch bist, sehr politisch denkst und auch sehr kämpferisch. Und das ist nicht nur ein Fernweg, möge es doch eine bessere Kultur sein, sondern nein, es soll jetzt den Menschen besser gehen. Und in diesen patriarchalen Zusammenhängen, den wir gehen, geht es ihnen nicht gut.

00:05:50: SPK_3 Die patriarchalen Verhältnisse werden ja auch, man kann fast sagen, von Jahr zu Jahr schlimmer und schwieriger. Und es gibt immer mehr Menschen, die auf Suche sind nach einer anderen Lebensweise und auch einem anderen kulturellen Modell. Ich glaube, hier kann die materiale Gesellschaftsform, die ich ja seit langer Zeit erforsche, egalitäre, in strukturiertem Konsens lebenden Menschen, das kann uns wirklich ein Licht geben oder auch einen Weg öffnen. Ich meine, wir können uns lange nach einer anderen Form sehen, wenn wir nicht wissen, wie es geht. Und der große Vorteil der matriarchalen Gesellschaftsform ist, das sind ja Gesellschaften, wir haben Jahrtausende lang existiert und in einigen Gegenden existieren sie noch.

00:06:34: SPK_3 Das heißt, es sind keine Utopie und nichts Abstraktes, was man sich aus dem Kopf saugt, sondern sie existieren und wir können so viel von ihnen konkret lernen. Allein, dass sie so lange existieren, mitten im Partnerschaft, ist ja erstaunlich. Das hat eben genau mit ihren egalitären Mustern zu tun, die die Menschen sehr souverän und sehr stark machen, um Widerstand zu leisten gegen.

00:06:57: SPK_2 Ich möchte trotzdem noch ein bisschen zurück, was Matriarchat bedeutet. Denkst du das auch so? Ich habe immer so verstanden, dass bis vor ungefähr Jahren die Mehrheit der urgeschichtlichen Gesellschaften matriarchal organisiert war.

00:07:15: SPK_3 Ja, das kann man sagen. Das ist zwar, sagen wir mal, eine these, aber ich bin dabei ja jetzt auch die Geschichte der matriarchalen Gesellschaften in den verschiedenen Kontinenten darzustellen. Ich habe mit Westasien und Europa bereits begonnen, denn man muss es belegen, dass es tatsächlich so war. Und wenn man sich die archäologischen Quellen genau anschaut, dann findet man das, indem man nämlich erkennt, wie viel falsche patriarchale Interpretation in der Archäologie üblich ist. Wenn man die durchschaut hat, kommt man wirklich an die Quellen heran und findet erstaunlich viel, was uns auch eine matriarchale Epoche belegt, lange vor den paar Jahrtausenden des Patriarchats.

00:07:53: SPK_3 Und ich meine, wie gesagt, ich bin als Forscherin an der Arbeit, denn behaupten kann man das gerne, aber man muss es belegen.

00:08:00: SPK_2 Also alleine die Möglichkeit gibt mir ein ganz anderes Verständnis für den Menschen. Ja, ich merke, wenn das jetzt stimmt, wenn diese these stimmt, dann bin ich als Mensch ja viel mehr in einer Welt zu Hause, in der es allen Wesen mehr oder weniger gut geht. Also so verstehe ich das Material Chart. Es geht ja nicht nur den Frauen gut, es geht ja auch den Kindern gut, es geht ja auch den Männern gut. Und es geht auch den den Naturressourcen relativ gut, weil die Menschen damit schonend umgegangen sind.

00:08:30: SPK_2 Ist es so?

00:08:32: SPK_3 Ja, weißt du, das geht zurück auf die Werte, die matriarchale Gesellschaften haben, und das ist vielleicht wichtig, dass ich die mal kurz erwähne. Sie geht grundsätzlich von mütterlichen Werten aus, das heißt von dem Prototyp der Mutter. Und ihre Werte sind Gegenseitigkeit pflegen, schauen, wie es den anderen geht, auf die Bedürfnisse achten, Konflikte friedlich lösen. Da haben sie eine ganze Reihe Strategien, wie man Konflikte ohne Gewalt lösen kann. Und Friedenssicherung.

00:09:02: SPK_3 Das heißt, sie haben auch ein großes Talent, immer wieder den Frieden zu sichern. Das heißt, dahinter steht das Balance Prinzip. Das Balanceprinzip ist grundsätzlich in matriarchalen Gesellschaften wichtig. Die Balance zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen und zwischen Mensch und Natur. Und wenn das nicht gegeben ist, dann ist eine Gesellschaft krank und bricht wahrscheinlich auch nieder.

00:09:25: SPK_3 Was wir in unseren patriarchalen Gesellschaften haben. Und das ist interessant, diese Werte, die gelten jetzt, diese mütterlichen Werte, die gelten für Frauen, die Mütter sind und die Nichtmütter sind, und für Frauen und Männer gleichermaßen. Die Männer verhalten sich genauso. Und das ist eben interessant. Während wir haben ja in unserer Gesellschaft oft ganz verschiedene Wertesysteme für Frauen und Männer, wobei das für die Frauen in der Regel unterdrückerisch ausgeht in patriarchalen Gesellschaften.

00:09:51: SPK_2 Wie wurden denn die mütterlichen Werte geehrt? Wie sah das aus, oder wie sieht das aus in den matriarchalen Gesellschaften?

00:10:01: SPK_3 Ja, dafür haben sie ganz konkrete Formen. Z.B. dass sie ihre Verwandtschaft in der Mutterlinie organisieren, das ist die Geburtslinie. Und gleichzeitig wohnt diese Gruppe oder diese Sippe im Mutterling zusammen, in dem Mutterhaus. Das heißt, das bringt Frauen sowieso ins Zentrum, aber sie herrschen ja nicht in den Sippen, sondern sie führen sie in gleicher Achtung, gleichem Respekt und Gleichwertigkeit und in Konsens.

00:10:29: SPK_3 Und so geht es auch im Dorf zu, so geht es in der Stadt zu, und so geht es in der ganzen Region zu. Das heißt, Frauen sind tatsächlich im Zentrum als Mütter und nicht irgendwie als Herrinnen oder Herrscherin oder so, als Mütter, die im Grunde für das Wohlergehen aller Clanmitglieder sorgen. Und das übertragen sie auf die größere Gemeinschaften wie Dorf, Stadt und die ganze Region. Also ist es charakteristisch für matriarchale Gesellschaften, dass die Mütter im Zentrum sind und ihre Gemeinschaften führen, ohne zu herrschen. Denn sie haben ja.

00:11:00: SPK_3 Ich muss da was sagen, was man unter Herrschaft klar versteht. Herrschaft ist eine Relation von Befehlen und Gehorchen. Nun gehorcht ja niemand gern freiwillig, nicht wahr? Das heißt, der Befehlende muss Zwang ausüben, damit die anderen gehorchen. Der hat einen Erzwingungsstab, so nennt man das.

00:11:16: SPK_3 Das sind Krieger, Polizei, Militär, Ämter, Justiz und so weiter. Und keine matriarchale Gesellschaft hat einen solchen Erzwingungsstab. Sie haben das nicht. Und die Mütter, also die ältesten Frauen einer Sippe, die sehr geachtet sind und auch ihren Rat geben, und haben auch keinen Erzwingungsstab, keine Kriege und keine Polizei an ihrer Seite. Deswegen können sie nicht herrschen und tun es auch nicht und wollen es nicht.

00:11:41: SPK_3 Sondern diese Gesellschaft beruht auf Konsens, auf Einsicht, auf miteinander in der Gemeinschaft agieren können. Und da haben sie eine große Kompetenz.

00:11:51: SPK_2 Ja, ich kenne das ja selbst, weil ich in Gemeinschaft gelebt habe. Hier gibt es natürlich auch keine Polizei, das wäre absurd. Aber es erfordert sehr viel reden. Sehr viel reden miteinander. Das ist auch sehr.

00:12:05: SPK_2 Es ist auch Arbeit.

00:12:07: SPK_3 Ja, das beruht eben auf Freiwilligkeit, auf Einsicht und wie du auch sagst, auch ständig miteinander sprechen. Und ich habe immer beobachtet, dass in matriarchalen Gesellschaft die Menschen eine eine hohe kommunikative Kompetenz haben. Ja, ist es wesentlich, um Konflikte zu lösen über kommunikative Kompetenz und nicht gleich über Schläge und Gewalt. Und die haben sie. Sie sprechen auch ständig miteinander.

00:12:31: SPK_3 Diese Gemeinschaft, also Gesellschaft, die ich besucht habe, das sind die Moso in Südwestchina. Das ist mir aufgefallen. Sie reden ständig in einer ruhigen Weise miteinander. Und wenn sie dann eine Beratung haben, dann ist das einfach nur ein Zusammenfassen von dem, was sie sowieso ständig miteinander austauschen. Das fand ich sehr interessant.

00:12:50: SPK_3 Das heißt, wenn sie einen Clanrat machen oder ein Dorfrat als vertrauensbildende Maßnahmen einführen, das brauchen sie nicht, weil sie sowieso ständig miteinander sprechen. Und dann der Rat ist dann nur noch mal eine konzentrierte Art, sich miteinander auszutauschen.

00:13:05: SPK_2 Leben Frauen und Männer in einer matriarchalen Gesellschaft ein unterschiedliches Leben?

00:13:12: SPK_3 Ja, sie leben ein unterschiedliches leben, denn diese Gesellschaften sind so organisiert, dass es eine weibliche Aktionssphäre gibt und eine männliche. Z.B. bei den Mosu ist es so, da machen die Frauen den Acker und Gartenbau und die Männer machen das Fischen und den Handel, den Fernhandel. Das heißt aber nicht, dass das typisch weiblich oder männlich ist, sondern in anderen Gesellschaften ist es genau umgekehrt. Z.B.

00:13:36: SPK_3 puchitán in Mexiko, da machen die Männer den Ackerbau und die Frauen den Handel und Fernhandel. Also es wechselt von einer Gesellschaft zur nächsten. Das hat sich aus ihren Traditionen irgendwie ergeben oder auch aus den Bedingungen ihrer Umgebung, ohne dass da irgendwelche Klischees von weiblich und männlich eine Rolle spielen. Die spielen gar keine Rolle bei ihnen. Also diese, wie soll ich sagen, Geschlechterklischees, die bei uns so eine große Rolle spielen, gespielt haben und noch spielen, die kennen sie nicht.

00:14:04: SPK_3 Und durch diese zwei verschiedenen Handlungssphären ist die Gesellschaft scheinbar wie zweigeteilt. Aber beide Handlungssphären sind komplementär und kooperieren miteinander. Und da machen sie dasselbe. Das muss dann immer in Balance sein miteinander. Aber jedes Geschlecht hat eben sozusagen sein eigenes Reich.

00:14:23: SPK_3 Es handelt sich ja nicht nur um die Arbeit da, sondern damit verbunden sind auch Rituale und besondere Kenntnisse und so weiter. Aber dadurch stellen sie eben auch diese zwei Seiten her, die dann wie zwei Waagschalen ständig in Balance miteinander sein müssen. So leben sie durchaus ein unterschiedliches Leben.

00:14:40: SPK_2 Und was ich auch noch sehr interessant finde, das hast du auch erzählt, die Art der Liebesbeziehungen, der Familienbildung ist ja ganz anders als bei uns.

00:14:50: SPK_3 Ja, also ich meine, es lebt ja der Mutter Clan zusammen. Wenn wir uns das erstmal vorstellen, in einem Mutterhaus lebt die älteste Frau, ihre Söhne, ihre Töchter und Söhne und die Enkelkinder. Und da fragt man, wie gesagt, im Nachbarhaus geht es genauso zu, und so in jedem Clan Haus im Dorf. Da fragt man sich, wie kommen denn die jungen Leute zusammen? Denn zu Hause ist jede Frau und jeder Mann im Mutterhaus.

00:15:13: SPK_3 Und dann haben sie eben sehr originelle Liebesformen entwickelt, die man Besuchsehe nennt. Also es ist ja gar keine Ehe, sondern es ist eher ein Besuch, ein Liebesbesuch, dass die Männer am Abend ihr Mutterhaus, die jungen Männer, die eben eine Partnerin haben, eine liebste oder manchmal sogar über mehrere Jahre eine Gattin, aber das spielt nicht so eine Rolle, das Gattentum. Also verlassen die jungen Männer am Abend ihr Mutterhaus und besuchen ihre Liebste in dem Haus, in dem sie die Frau wählt. Die Frau lädt ihn ein, er kommt dann zu ihr, sie hat ihre eigene Kammer in der Nacht beisammen und am Morgen kehrt er wieder zurück in sein Mutterhaus. Und das ist sozusagen die Besuchs Ehe Form, die Besuchsliebesform, die beiden Geschlechtern eine große Freiheit lässt, denn sie können wählen, wie sie wollen, sie wechseln auch die Liebesbeziehung.

00:16:05: SPK_3 Und interessant dabei ist, zugleich haben sie ihre Geborgenheit im Mutterhaus. Sowohl die Frau wie der Mann und die Kinder, die leiden nicht, wenn die Liebesbeziehung gewechselt wird, denn sie sind immer zu Hause bei allen Bezugspersonen im Mutterhaus, der Großmutter, deren Schwestern, der Mutter, die mit ihren Schwestern auch die gemeinsame Mutterschaft ausübt, den Mutterbrüdern, das sind ja die Mutter Brüder und so weiter. Also es gibt keine Scheidungsweisen und trotzdem nicht die Einschränkung der Liebe. Die Liebe ist frei und spontan, kann gewechselt werden, kann kurz sein, kann länger dauern, weil sie das trennen, also diese beiden Grundbedürfnisse der Geborgenheit, Leben im Mutterhaus und der Spontanität, der Liebe, die frei ist und dann mit den gewählten Partnern stattfindet, ohne dass die dann zusammenziehen. Also die bürgerliche Kleinfamilie, wo sie die zwei zusammenziehen, obwohl der romantischen Liebe mit allen Problemen befrachtet, gibt es nicht.

00:17:01: SPK_3 Mutter klagen das zu Hause und dann diese Besuchsehe. In manchen matriarchalen Gesellschaften zieht auch der Mann dann ins Haus seiner Liebsten für eine kurze oder längere Zeit, solange die beiden wollen, dann hilft er damit. Er hat. Bleibt aber Gast. Er bleibt Gast, er hat da keine Rechte.

00:17:20: SPK_3 Die Rechte und Pflichten hat er in seinem Mutterhaus. Bei seiner Liebsten ist er Gast und wirkt aus Freundlichkeit damit. Aber er kann auch gehen, wenn es ihm nicht mehr gefällt und so weiter. Also völlig offen und in dieser Hinsicht eben auch frei ist die Liebesbeziehung, weil sie nicht beladen ist mit wirtschaftlichen Fragen, religiösen Fragen und Prestigefragen und so weiter.

00:17:43: SPK_2 Und es gibt trotzdem Vaterschaft. Es ist ja nicht so, dass die biologischen Väter nicht bekannt wären.

00:17:51: SPK_3 Ja, das ist sehr verschieden. Das ist sehr unterschiedlich. Eigentlich interessieren sie sich nicht für Vaterschaft, denn verwandt ist mit den Kindern der Mann, der denselben Klarnamen trägt. Und das ist der Bruder der Mutter. Der Mutter Bruder spielt eine ganz große Rolle.

00:18:09: SPK_3 Er gilt als der nächste Verwandte mit den Schwesterkindern, denn die haben ja denselben Klarnamen wie er. Es geht über die Mutterlinie und er verhält sich. Er ist auch derjenige, der für die Schwesterkinder sorgt, sowohl materiell wie pflegearbeiten, wie psychologisch. Er ist mitverantwortlich für sie. Das gehört zu seinen Pflichten und natürlich auch in das Recht, dass er da Mitspracherecht hat.

00:18:30: SPK_3 Denn der Geliebte seiner Schwester ist eben nur der Geliebte und nicht der Vater, denn der hat einen anderen Klannamen. Der hat dieselbe Pflicht in seinem Mutterhaus. Darum spreche ich den Zusammenhang eher von einer sozialen Vaterschaft. Und die biologische Vaterschaft interessiert sie nicht, weil der biologische Vater eben, wie gesagt, einen anderen Klarnamen hat. Dahinter steht natürlich auch eine spirituelle Idee, nämlich die Kinder kommen nach ihrer Vorstellung eigentlich von den Ahnen und Ahninnen.

00:18:59: SPK_3 Ja, und die selben Sippe. Insofern hat der Liebste mit seinen anderen Sippennamen und seinen anderen Ahnen und Ahninnen gar nichts mit den Kindern zu tun. Aber der Mutter Bruder, der denselben Namen hat, sieht halt auch in den Kindern auch so seine wiedergekehrten Ahnen und Ahninnen. Das ist der Wiedergeburtsglaube, der eine Rolle spielt. Und darum ist das die Gemeinschaft.

00:19:24: SPK_3 Wobei ich beobachtet habe, dass diese Mutter Brüder sehr väterlich und sehr zärtlich sind mit den Schwesterkindern, denn die leben ja auch ihr Leben lang zusammen.

00:19:34: SPK_2 Also vieles, was du sagst, klingt ja sehr paradiesisch, sage ich jetzt mal. Warum, das bist du bestimmt schon oft gefragt worden, warum hat dann diese Kultur, diese weltweit umspannende Kultur, möglicherweise ein solches Ende gefunden? Warum wurde sie ersetzt an den meisten Orten durch Patriarchate? Was ist da passiert? Und warum war das überhaupt für Menschen interessanter, plötzlich Patriarchate zu haben statt Matriarchate?

00:20:04: SPK_3 Ja, weißt du, das ist die Frage nach der Patriarchatsentstehung. Das ist eine sehr komplizierte Frage, einfach gestellt, aber die ist nicht so einfach zu beantworten. Wir müssen uns erstmal klar machen, dass die ersten patriarchalen Muster sind an bestimmten Ecken entstanden, und zwar in den verschiedenen Ländern und Kontinenten durch ganz verschiedene Ursachen, auch zu völlig verschiedenen Zeiten. Und dann hat war auch die Entwicklung dahin, die hat Jahrtausende gedauert, in jedem Gebiet, wo es mal entstanden. Die Entwicklung verlief auch verschieden.

00:20:37: SPK_3 Ich betone das deswegen ausdrücklich, weil das ist eine Forschungsfrage, das herauszubringen. Wir können schnell irgendeine Ideologie haben, ja, das und das ist der Grund und so und so und so. Das sind aber wie gesagt Fantasien. Wir müssen tatsächlich anhand der archäologischen Gründe und der Reflexion darüber rausfinden, wie es in den verschiedenen Kulturregionen war. So war es z.b.

00:20:59: SPK_3 den eurasischen Steppen anders als in Mesopotamien und in Europa anders als in Afrika und in Amerika auch wieder anders, und zwar zu völlig unterschiedlichen Zeiten. Und dann, wenn wir uns mal einer Region zuwenden, sagen wir mal Westasien und Europa, das hing damals kulturell zusammen, dann haben wir es mit einer historischen Entwicklung von ein paar Jahrtausenden zu tun. Und es gibt dann eben auch nicht nur eine Ursache, sondern es gibt vielleicht ein Bündel von Ursachen, was der Auslöser war. Und dann gibt es eine Reaktion darauf und dann wird die Reaktion wieder eine Ursache fürs nächste und so weiter. Es ist eine ganze Kette von Ursachen, das muss man so darstellen.

00:21:38: SPK_3 Aber nachdem ich diese erstmal beschrieben habe, was da eigentlich zu erforschen ist, will ich mal kurz charakterisieren, so kurz das überhaupt geht. Meistens wird man dann wieder missverstanden. Ich mache das nicht gern so kurz, aber naja. Also ich will mal kurz charakterisieren, wie das in den eurasischen Steppen vor sich gegangen ist, denn das ist relativ gut erforscht. Da hat Maria Gimbutas schon eine Menge Arbeit geleistet, aber die ist auch noch nicht auf den ganzen Grund gekommen.

00:22:06: SPK_3 Aber die Forschung in Diese Richtung geht ja weiter. Also wir haben damit zu rechnen, dass es dort über einen Zeitraum von circa 4000 Jahren eine Austrocknung, Versteckung und Verwüstung riesiger Areale gegeben hat. In diesen Arealen gab es früher davor lokale Ackerbaukulturen matriarchaler Prägung an Flussflüssen, die von den Gebirgen runterkamen oder Seen. Und dann muss man sich mal vorstellen, im Laufe von Generationen verwandelt sich dieses Gebiet durch verschiedene klimatische Verschiebungen immer mehr in Wüste und in Steppe. Gut, in der Wüste konnten sie nicht mehr überleben, und wir wissen gar nicht, wie viele materiale Kulturen da zugrunde gegangen sind.

00:22:49: SPK_3 Und andere haben dann versucht, in der Steppe zu überleben. Und da gibt es Steppe eigentlich auch nicht für Ackerbau, aber für Viehzucht. Nun hat man angefangen, Viehzucht in immer größerem Maßstab zu betreiben, was natürlich die falsche Antwort auf die Frage von Versteppung ist, denn diese großen Herden von Ziegen, Schafen und Rindern zerstören den Boden ja noch mehr. Also die Menschen sind dort regelrecht entwurzelt worden im Laufe der Zeit, wurden zu Viehhirten, zu Nomaden. Und dann natürlich nicht nur einem Volk es so ging in diesem riesigen Steppengürtel, der reicht ja von Osteuropa bis Westchina, sondern da es vielen Völkern so ging, kamen die natürlich dann in Konflikte über die überhaupt noch nutzbaren grünen Flächen für ihre immer anwachsenden Herden.

00:23:37: SPK_3 Die Herden haben sie anwachsen lassen aus Sorge und Nahrung, genügend Nahrung zu haben. Und dann begann natürlich Konflikte kriegerischer Art. So, nun müssen wir uns mal die Situation das ist die äußere Situation. Wie ist die Situation im Inneren? Die haben nicht vorgehabt, patriarchal zu werden, sondern die waren Material geordnet.

00:23:56: SPK_3 Aber auf einmal verlieren die Frauen, die traditionellen, die Ackerbäuerinnen waren, den buchstäblich den Boden unter den Füßen. Und die Viehwirtschaft der Männer, die vorher im Matriarchat vollständig integriert war, wird immer wichtiger und immer größer und immer bedeutend. Und dann werden die Männer auch noch zu Hirtekriegern, um das zu verteidigen gegen außen, werden immer wichtiger, brauchen einen Chef, der sie führt und so weiter. Das heißt, dadurch transformiert sich so eine Gesellschaft von innen. Und nun entstehen Strukturen, die es vorher gar nicht gab und die die Menschen auch gar nicht kannten, die auch niemand mit böser Absicht eingeführt hat, sondern es ist eine Frage des Überlebens gewesen.

00:24:35: SPK_3 Aber die Wüstenbildung hat eben nicht aufgehört, die ging über Jahrtausende weiter und dadurch konnten sie auch zu ihren alten Formen nicht zurückkehren, bis dann, wie gesagt, sich das, wie soll ich sagen, das Führertum der Männer so stark herausgebildet hat und die Ökonomie der Frauen so bedeutungslos geworden waren, dass sie eigentlich nur noch die Dienerinnen an den großen Herden der Männer waren. Und da diese Probleme ja nie aufgehört haben, begannen dann auch diese Hirtenkriegerkulturen gen Westen hin, in Europa, Eroberungen zu unternehmen gegenüber den anderen alten, material eingesessenen Bevölkerungen. Und da haben sie natürlich gemerkt, wie großartig das ist, wenn man als eine kriegerische Clique ein großes Volk unterdrücken und ausbeuten kann. Und da setzt Patriarchat ein. Erst dann.

00:25:20: SPK_3 Vorher war es eine schwankende Situation, noch nicht mit patriarchalem Bewusstsein, obwohl man schon Muster hatte. Ja, das haben sie nicht beabsichtigt. Aber dann, wenn sie anfangen zu erobern, andere Menschen, was vorher ja nicht üblich war und merken, dass das für die Sieger, die kleine Clique der Sieger mit ihren Waffen sehr günstig ist. Ja, da kommt die Idee auch, ja, wir haben ja was ganz Neues geschaffen, wir haben eine Herrschaft geschaffen und wir können andere beherrschen und das ist was großartiges. Und dann setzt das patriarchale Bewusstsein ein und verfestigt die ganze Sache so, dass sie nicht mehr auflösbar war.

00:25:58: SPK_3 Also das mal kurz. Und wenn ich jetzt gefragt werde, warum sich dieses Absurde musste absurd nicht so ausgebreitet hat, dann gibt es darauf auch eine einfache Antwort. Man muss sich mal vorstellen, eine solche patriarchale Gesellschaft lebt in einer matrischalen Umgebung. Die haben doch immer weiter und weiter und weiter erobert. Die haben doch damit nicht aufgehört, weil sie gemerkt haben, wie praktisch das für die herrschende Clique ist, andere zu unterdrücken und auszubeuten.

00:26:26: SPK_3 Das war eine permanente Bedrohung für die gesamte Umgebung. Und wenn matriarchale Gesellschaften angefangen haben, sich zu wehren und auch zu den Waffen gegriffen haben, dann waren sie meistens die Unterlegenen, denn sie waren Krieg nicht gewohnt. Und gleichzeitig hat sich dann ihre Gesellschaft von innen auch verändert. Das ist auch ein Prozess über 6000 Jahre, nämlich solange die ersten patriarchalen Muster entstanden, vermutlich vor fünf bis sechstausend Jahren. Und in diesem langen Zeitraum hat sich das allmählich über den Globus ausgebreitet.

00:27:01: SPK_3 Das hat gedauert. Es breitet sich ja heute noch aus, indem die letzten materiellen Gesellschaften heute noch leider von ihrer patriarchalen Umgebung unterminiert werden. Sie ist heute noch nicht abgeschlossen.

00:27:15: SPK_2 Du hast was sehr interessantes gesagt, du hast viel interessantes gesagt, aber eine Sache, es gab die Muster, man wollte überleben und dann ist auf einmal dieses patriarchale Bewusstsein entstanden und das war dann nicht auflösbar. Also du hast noch mal die Rolle des Bewusstseins so rausgestrichen. Also es wurde ja auch zu einer Ideologie. Also der Mann, also man hat ja dann früher auch irgendwann gedacht, die Frau hat keine Seele im Christentum. Ja.

00:27:41: SPK_2 Also man hat ja irgendwie eine Ideologie aus der Männerherrschaft gemacht. Ja, und das war dann das Schwierige.

00:27:49: SPK_3 Das heißt, vorher ging es ja darum, auch den Männern ihre Gesellschaft irgendwie zu erhalten, auch wenn sie die Frauen oft nur mitgeschleppt haben. Sie wollten ihre Gesellschaft erhalten, das ist ja auch ihre Identität gewesen. Aber wenn sie anfangen, fremde Kulturen zu erobern, brauchen sie ja, wie du sagst, eine neue Ideologie, nämlich die Ideologie des Herrschers, der immer männlich war. Insofern besser, gut, wunderbar. Großartig war gegenüber der unterworfenen Bevölkerung, Frauen und Männern, die dann als minderwertig galten.

00:28:18: SPK_3 Es hat sich nicht zuerst direkt gegen Frauen gerichtet, sondern gegen unterworfene Bevölkerung, die minderwertig war. Und da hat man archäologisch sogar festgestellt, an von DNA Analysen, diese ersten frühen patriarchalen Europa Gruppen, das waren ja ganz wenige Leute, die haben dann die Technik gehabt, die einheimischen Männer einfach alle zu killen und die Frauen sich anzueignen. Und da hat man jetzt eine totale Schieflage. Der Geschlecht ist daraus entstanden. Die einheimischen Männer hätten sich ja wehren können, die hat man getötet, denn die fehlen auch in den DNA Analysen dieser frühen Zeit.

00:28:51: SPK_3 Und die Frauen wurden zwangsverheiratet oder einfach per Zwang zu Ehefrauen von diesen herrschenden Männern gemacht. Und damit hatte man die erste bewusste, für die herrschende großartige Lösung gefunden, was man nur mit unterworfenen Frauen und Männern macht und wofür Frauen da sind. Frauen sind dafür da, zu arbeiten und die Kinder für den herrschenden Mann zu gebären. Das setzt das ein. Und das ist ganz klar eine neue Ideologie.

00:29:17: SPK_3 Und damit hat sich eben auch was grundsätzlich verändert.

00:29:21: SPK_2 Ja, voll. Und manchen matriarchalen Gesellschaften ist es gelungen oder gelingt es heute noch, Widerstand zu leisten. Darauf möchte ich gerne zu sprechen kommen. Was also ich weiß vor allem von den Mosuo, die sind am bekanntesten. Ich habe auch mal einen Film über die gesehen und einen Professor der Mosu auf dem Matriarchatskongress getroffen.

00:29:42: SPK_2 Das ist mir sehr in intensiver Erinnerung, diese Art von Erzählungen dort. Aber es gibt ja noch viel mehr. 62, glaube ich, hast du mal gesagt, matriarchale Gesellschaften gibt es noch.

00:29:53: SPK_3 Ich nehme keine Zahlen, weil das ist so schwierig festzustellen. Es sind eher weniger, denn ich nenne eigentlich nur eine matriarchale Gesellschaft, eine solche, die auch klar alle Muster dieser Gesellschaft zeigt und nicht nur noch ein paar Elemente hat, die wirklich alle Musterzeit, die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen. Das ist mir wichtig. Und das sind wenige. Okay, keine Rolle.

00:30:18: SPK_2 Wie leisten sie Widerstand?

00:30:20: SPK_3 Ja, da gibt es mehrere Gründe. Ich meine, die haben ja, wenn man mal vom europäischen Kolonialismus ausgeht, haben sie 500 Jahre überdauert. In Amerika z.B. nordamerika, das wurde, und Südamerika einzelne. In Asien begann die Kolonisierung durch das chinesische Patriarchat viel früher.

00:30:39: SPK_3 Da haben sie es im Jahrtausend und mehr Widerstand geleistet. Das ist unglaublich. Und sie wollten ja nicht unbedingt Widerstand leisten, sie wollten einfach ihre Identität und ihre eigene Kultur bewahren. Das ist der Hintergrund. Sie wurden gezwungen, sich zu wehren.

00:30:55: SPK_3 Und da gibt es mehrere Dinge, was ihnen möglich gemacht hat. Einmal findet man heute noch einige Rückzugsgebieten, die waren sehr wichtig. Die Mosuhr leben da in den Bergen an der Grenze zu Tibet. Das ist in ungefähr 3000 m Höhe. Das ist ein Rückzugsgebiet.

00:31:11: SPK_3 Da hat die Hans, die zentralchinesische Regierung lange gar nicht hingereicht. Oder Wüste ist ein Rückzugsgebiet. Z.B. leben ja die Tuareg, die nach innen hin mar in der Wüste die sind. Das sind eigentlich Wüstenberger.

00:31:25: SPK_3 Die sind in die Wüste ausgewandert um ihre marzorschalen Muster zu behalten. Andere leben auf abgelegenen Inseln. Das sind Rückzugsgebiete, die ihnen geholfen haben. Das ist mal das eine, aber das ist eher ein äußeres Kriterium. Ein anderes Kriterium finde ich sehr interessant, dass sie ein großes Geschick haben, das was von außen zu ihnen kommt scheinbar tolerant anzunehmen, es aber dann in eigenes zu verwandeln und damit die patriarchale Zumutung zu unterlaufen.

00:31:54: SPK_3 Das sind die es sind 6 Millionen Volk übrigens nicht nur Gott sind 6 Millionen das größte matriarchale Volk heute noch auf der Erde. Die sind da äußerst geschickt. Zwei, drei Beispiele aus ihrer Geschichte. Man wollte z.B. ein König von Java sich dieses Volk in Sumata einverleiben.

00:32:14: SPK_3 Dann haben sie folgendes gemacht sie haben ihn gehuldigt, haben ihm Ehre erwiesen, haben in jedem Dorf seine Statue aufgestellt, haben sich davor verbeugt und damit war es erledigt. Da konnte keine Steuern, kein Militär, nichts aus diesem Land gewinnen. Gut, größere Herausforderung waren dann aber die islamischen Lehrkrieger und Lehrer, die im Grunde dieses Land auch islamisieren wollten. Das war zu holländischen Kolonialzeit anderen erst kam die Holländer und wollten ihr Land zu ihren Plantagen machen, also Teil ihres Landes. Da haben sie dann also Irland war ähnlich zu verkaufen, aber die Umgebung sollte dann Plantage werden.

00:32:52: SPK_3 Da sind dann die Frauen hingegangen, haben die Umgebung auch in Gärten verwandelt und zu Sippenland gemacht. Da war das auch nicht mehr zu verkaufen für die Holländer. Also die Holländer haben da keinen Fuß gefasst als Kolonialmacht. Aber das Dritte, das möchte ich noch kurz erwähnen. Das war dann eben wirklich die Herausforderung der Islamisierung und da gab es wirklich auch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Holländern und den Islam Eroberern und die Menonga Bau, die sich dann auch gewehrt haben gegen die Islamisierung.

00:33:24: SPK_3 Dann haben sie später einen friedlichen Kompromiss mit den Islamlehrern gefunden, sodass diese Leute heute als islamisch gelten, was sie gar nicht sind. Und zwar haben sie was ihr Männerhaus ist, wo die Männer sich vorher versammelt haben um sich zu beraten, das haben sie in eine Moschee umwandeln lassen wird konnte der Koran der Predigen an bestimmten islamischen Feiertagen. An den anderen Tagen versammelten sich wieder die Menanga Baumänner und hielten dort wieder ihren Rat ab, wie sie ihre Gesellschaft stützen und stärken. Die Frauen waren da sowieso nicht inbegriffen, die haben ihre Muster einfach weitergeführt. Ja, das heißt, sehr geschickter Kompromiss, die fremde Religion äußerlich zu halten und nach innen hin mit all den alten Mustern weiterzumachen.

00:34:11: SPK_3 Das heißt, sie haben ein großes Verhandlungsgeschick, auch ein Geschick, Kompromisse zu schließen, ohne ihr eigenes aufzugeben. Und das ist sehr häufig bei ihnen. Das ist wirklich äußerst, wie gesagt, eine intelligente Konfliktlösung.

00:34:25: SPK_2 Es muss ja auch wirklich so sein, dass sie von ganz von innen her denken, dass Ihre Gesellschaft die ist, die sie leben wollen. Da haben sie anscheinend keine Selbstzweifel an Ihrer Kultur. Sind sie da immun gegen? Ich meine, man weiß ja heute, überall, wo ein Fernsehen hingestellt wird, werden die Leute langsam verdummt durch den Mainstream. Und anscheinend sind die da ein Stück weit gefeit dagegen.

00:34:49: SPK_3 Das hat genau seine Gründe in diesen Mutterclans, wo eben jeder zu Hause ist und in den Werten und in ihrem Zusammenleben. Wir müssen uns ja vorstellen, diese Gemeinschaften der Clans in der Mutterlinie sind sehr dicht, diese Menschenleben, wir leben lang zusammen. Und diese Gemeinschaften aufzubrechen, ist fast nicht möglich. Und die Vernetzung der Clans im Dorf geht ja weiter und in der Region auch weiter. Das heißt, sie sind so gut in ihren Gemeinschaften gestärkt und auch so gut vernetzt, dass es äußerst schwierig ist, von außen dann Keil reinzutreiben.

00:35:22: SPK_3 Und hier spielt eben ihre Politik der Konsensfindung eine große Rolle. Das heißt, wenn die ein Problem haben, gemacht bekommen, auch von außen, dann setzt ihr Konsensbildungsprozess einen der ganzen Region. Und wenn ein Volk in der Region sämtlich derselben Meinung sind, kann man die nicht spalten. Die Mosua haben das mehrmals in ihrer Geschichte praktiziert. Dann hat die herrschende Macht von außen nur die Alternative, jetzt kriegerisch anzugreifen.

00:35:50: SPK_3 Dann haben sie aber das ganze Volk in der Rebellion gegen sich. Das ist auch nicht immer so einfach. Da sieht man, wie stark die Politik über die kennt, Konsensbildung sein kann. Und was die Männer betrifft, wir meinen oft, wenn die dann patriarchale Muster sehen, finden sie das so toll. Das finden sie gar nicht toll.

00:36:06: SPK_3 Die Männer in matriarchalen Gesellschaften sind die intensivsten Verteidiger dieser Gesellschaft, denn es ist ihre Kultur, ihre Identität, und das wollen sie haben, da wollen sie bleiben. Das heißt, wir sehen hier, wie stark eine Gesellschaft von innen ist, die wirklich egalitär und respektvoll mit allen Menschen umgeht, die nicht Unterdrückung und Rebellion und was weiß ich welche Spannungen hat, sondern genau dieser Zusammenhalt durch das Egalitäre und den Konsens macht die Menschen da ja so stark. Denn in unseren Gesellschaften sind wir gespalten. Wir sind vereinzelt als Individuen oder Gruppen. Und das schwächt natürlich eine Gesellschaft insgesamt sehr.

00:36:46: SPK_2 Ja, voll. Wir kennen ja divide et impera. Ja, das ist ja sehr bekannt. Und wenn das nicht gelingt, dann kann ein Volk nicht. Also das hat man ja in der chilenischen Revolution gesagt.

00:36:57: SPK_2 Ja, um pueblo unido jamasraven sido. Ein vereintes Volk kann nie besiegt werden. Aber da wird es dann noch Realität.

00:37:06: SPK_3 Das ist schön, dass du das erwähnt ist, denn ich muss sagen, solche Material Elemente sind ja viel weiter verbreitet als diese klassischen materialen Gesellschaften noch sinken. Und in Mexiko, in Peru und überall findet man auch diese starken Gemeinschaften und diese Werte, ohne dass jetzt die Mutterlinie noch existiert. Aber sie haben einen starken Gemeinschaftswert. Und das lässt diese Menschen nicht nur überleben, lässt sie auch gut leben und lässt sie wirklich widerständig sein gegen Zumutungen von außen.

00:37:38: SPK_2 Du weißt ja, dass ich sehr aus der Gemeinschaftsbewegung komme und wir das ja versuchen, etwas davon wieder herzustellen. Und ich muss sagen, es ist nicht immer so leicht, weil dieser innere Zusammenhalt auch wieder dann so leicht zerbricht, weil dann doch verschiedene Interessen auftreten. Und ja, also z.B. corona war eine Zeit, wo sich auch die besten Gemeinschaften sehr stark miteinander angefangen haben zu streiten, weil sie ja keinen Konsens finden konnten. Gibt es da vielleicht eine spirituelle Qualität, von der wir was lernen können aus den matriarchalen Gemeinschaften?

00:38:16: SPK_3 Ja, das ist eine sehr wichtige Frage. Also einmal müssen wir ja sehen, dass diese Blutsverwandtschaft Gesellschaft, diese blutsverwandten Gemeinschaften, die sind ja von Kind auf zusammen und leben ihr Leben zusammen. Das ist eine ganz andere Situation, als wenn in unserer Gesellschaft verschiedene Menschen, verschiedene individuelle Menschen zusammenkommen und die Gemeinschaft gründen wollen. Die haben gar nicht den Boden dieser Blutsverwandtschaft. Gut, ich meine, der ist bei uns sowieso zerbrochen in unseren Gesellschaften.

00:38:48: SPK_3 Aber die Situation ist ja viel schwieriger, wenn, sagen wir mal, 10 oder 20 oder 100 Individuen zusammenkommen und eine Gemeinschaft bilden wollen und alle bringen ihren individuellen Hintergrund mit. Das ist das große Problem. Und ich denke da die Menschen, die das machen in unseren Gemeinschaften, leisten da enorm. Denn da muss so viel an Individualisierung und innerer Patriarchalisierung und sonst was und überwunden werden. Das ist eine immense Arbeit, das ist eine Riesenarbeit.

00:39:17: SPK_3 Die haben diese blutsverwandten Gesellschaften eben nicht. Und natürlich sind spirituelle Werte wichtig, aber ich wollte erstmal auf diesen sozialen Problemen hinweisen. Das ist ein tiefes soziales Problem, wenn Individuen aus unserer Gesellschaft zusammenkommen und nun was Gemeinsames schaffen wollen. Es ist sehr schwierig, natürlich. Wie kann man das überbrücken?

00:39:39: SPK_3 Ich meine, die Menschen in den Gemeinschaften wissen das sehr wohl und viele haben gute Kenntnisse, wie sie das überbrücken. Das ist ja, sind im Grunde wahlverwandte Gemeinschaften, keine blutsverwandten mehr. Und die haben ganz andere Anordnungen. Das spirituelle, matriarchale Gesellschaften haben ihre spirituellen Prinzipien, z.B. dass eben das Individuum oder das Ego eines Menschen gar nicht so eine große Rolle spielt.

00:40:04: SPK_3 Sie reden, wenn sie reden selten von ich und ich will und ich denke und ich meine, sondern sie reden immer von wir. Das heißt, der Gemeinschaftssinn ist von vornherein so stark ausgeprägt, dass sie sich selbst in der Gemeinschaft sehen. Und das ist für sie gar nicht anders denkbar. Während wir müssen es in unserer Zeit es lernen, diesen Gemeinschaftssinn wieder zu entwickeln. Und er hat natürlich spirituelle Hintergründe.

00:40:30: SPK_3 Also bei ihnen sind die Clans mit demselben Namen, die ihre Geschichte haben und hinter jedem Klarnamen steht eine spirituelle Geschichte. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn bei uns in den Gemeinschaften, wo ja auch Gruppierungen und Clan, das sind ja die Clans, wenn sie sich auch einen spirituellen Namen geben und versuchen, eine spirituelle, sei es eine mythische Geschichte zu erfinden und die jetzt ihre als ihre Clan Geschichte betrachten, auch die sich alle immer wieder rückbeziehen können. Wäre eine Möglichkeit. Das sieht nur symbolisch aus, ist auch schön Symbolismus was Schönes, aber es hat auch einen spirituellen Hintergrund. Beispielsweise meistens so praktiziert, dass man dann abstrakte Werte formuliert, die dann alle teilen sollen.

00:41:12: SPK_3 Das ist alles richtig und gut, aber das Abstrakte erreicht nicht unser Herzen, nicht unsere Gefühle. Und denke ich manchmal, so eine symbolische Geschichte, Eine Mythe, die sich ein wahlverwandter Clan selber gibt, die mit Emotionen getränkt ist, ist vielleicht stärker als rein abstrakte Werte. Wäre eine Idee.

00:41:31: SPK_2 Das ist für die Poeten, Geschichtenerzähler und Künstler dann eine wichtige Aufgabe.

00:41:38: SPK_3 Diese Klamythe, die kann gemalt werden, die kann getanzt werden. Das könnte vielleicht wahlverwandte Menschen stärker binden. Gut, die abstrakte formulierten Wert spielen auch eine Rolle, aber man muss sie verbindlichen, man muss sie mythologisieren. Das erreicht einfach die Gefühle mehr.

00:41:56: SPK_2 Vielleicht noch mal zum Abschluss. Es ist ja in den matriarchalen Gesellschaften geht es ja um die große Mutter. Ist das bei allen matriarchalen Gesellschaften so, dass sie als die Göttin statt den Gott anbeten, oder kann man das gar nicht so pauschalisieren?

00:42:10: SPK_3 Man kann das auch gar nicht so sagen, denn sie beten gar niemand an ohne ein Gott noch eine Göttin. Das hat mit ihrem Weltbild zu tun. Nach ihrem Weltbild gibt es keine transzendenten Götter oder Göttinnen außerhalb, sondern die ganze Welt ist göttlich. Das Universum und die Erde. Das Universum mit einem Himmelserschein ist für sie göttlich.

00:42:33: SPK_3 Die Erde als Mutter Erde ist göttlich. Und die Mutter Erde hat alle Lebewesen hervorgebracht, die Pflanzen, die Tiere, die Menschen. Das ist ihr Weltbild. Und wenn sie ihre Feste und Rituale feiern, feiern sie im Grunde diese sichtbare Welt, die das Leben erhält und trägt. Das ist für sie das Göttliche.

00:42:52: SPK_3 Ja, das heißt, sie brauchen da keinen großen Gott und keine große Göttin und eine große Mutter auch nicht, sondern ganz konkret ist eben die Mutter Erde, wenn man so sagen will, ihre große Göttin. Und das ist sehr einfach, denn die Mutter Erde, und erleben wir jeden Tag, die ist sichtbar, fühlbar, hörbar. Und wir leben jeden Tag davon. Und das Schöne an ihrem Weltbild ist, dass eben all die Verschiedenheit, die auf der Mutter Erde besteht, die sie hervorgebracht hat, gilt für sie als gleichwertig. Es ist nicht so, dass dann, selbst wenn.

00:43:24: SPK_3 Ich sage immer, ihr Weltbild ist weiblich geprägt, das heißt, das Universum gilt als die Schöpfergöttin und dann die Mutter Erde. Da werde ich manchmal gefragt, und wo bleibt die männlichen Elemente? Ja, die sind ja auf der Erde auch überall da. Es gibt weibliche, männliche Pflanzen, Tiere, Männer und Frauen. Und dann haben sie, wenn sie die Landschaften betrachten, gibt es dann weibliche Berge, männliche Berge, weibliche Gewässer, männliche Gewässer.

00:43:48: SPK_3 Das ist alles da. Ja, das ganz, die ganze sichtbare, reiche Welt ist für sie das Göttliche. Alles, was auf der Erde ist, einschließlich uns, ist eben von dieser göttlichen Mutter getragen. Und wir sind alle göttlich, wenn man so will. Und das ist eine ganz konkrete, reale, erdgebundene Spiritualität, nichts Abgeschwebtes.

00:44:09: SPK_3 Und das feiern sie auch in den Ritualen. Das heißt, da gibt es dann, abgesehen von den Ritualen durch das Jahr hindurch, die saisonalen Rituale, gibt es dann auch Rituale mal für die Mädchen, dann mal für die Knaben, dann mal für die Frauen, für die Männer, also die Alten, mal für die Jungen. Also alles, was da ist, auch in der Gesellschaft, wird ganz konkret auch gefeiert und geehrt in bestimmten festen Ritualen. Die Idee dahinter ist, die große Mutter Erde ja umfasst ja auch alles, nämlich ihre Töchter, sagen wir mal, die Frauen, und ihre Söhne, die Männer. Aber sie ist das Umfassende.

00:44:44: SPK_3 Und das ist die Idee von Weiblichkeit als das Weibliche ist das Umfassende und hervorbringende und gebärende und schützende und mehrere. Und das nährt all die Verschiedenheit von Söhnen und Töchtern in aller, allen Formen. Aber es ist eben das Umfassende, weil das beruht ja auf einer natürlichen Gegebenheit, dass Frauen eben gebären und nicht nur weibliche Wesen, sondern Frauen gebären Mädchen und Knaben. Die Frauen sind das umfassende und das ist in ihrem Weltbild verankert, denn die Männer gebären ja nicht, sie bringen Leben nicht hervor, aber sie haben natürlich Teil an den Lebensprozessen und unterstützen alles und wirken darin mit. Aber das umfassende ist das Weibliche, aber eben nicht das Ausschließen, sondern das Einschließen.

00:45:29: SPK_2 Ein wunderbares Schlusswort. Ich danke dir sehr für dein Engagement, auch für deinen Humor und deine Entschlossenheit. Das tut richtig gut.

00:45:38: SPK_3 Ich danke dir auch, weil es hat mich so gefreut, dich wiederzutreffen. Und ich habe mich auch so gut an dich erinnert von damals vor 24 Jahren. Und du hast eben auch deine Frische und deine Lebendigkeit auch voll beibehalten. Das ist einfach schön.

00:45:53: SPK_2 Danke schön.

00:45:55: SPK_3 Danke dir auch.

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