Energiewende von unten

Shownotes

Zeitpunkt: www.zeitpunkt.ch

Terra Nova: https://terra-nova.earth

Das Buch: «Wirtschaft und Finanzen neu gedacht. Revolution der Menschlichkeit» erschien im Massel-Verlag Dort gibt es weitere Veröffentlichungen und Veranstaltungen mit Ulrich Gausmann.

Mehr über Energiewendedörfer: https://energiewendedörfer.de

**Mehr über Rettenbach **im Allgäu und den Weichbergtaler

Nachfragen und Vorschläge direkt an Ulrich Gausmann: revolutiondermenschlichkeit@posteo.de

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Energiewende von unten – ein Gespräch mit Dr. Ulrich Gausmann

Herzlich willkommen zum neuen Terra Nova Podcast. Heute bin ich im Gespräch mit Ulrich Gausmann. Er ist Sozialwissenschaftler und Autor und hat ein neues Buch herausgebracht – «Wirtschaft und Finanzen neu gedacht. Revolution der Menschlichkeit.» Er stellt darin lokale Selbsthilfe-Projekte, Helfer-Netzwerke, Energiewendedörfer, Pflegebauernhöfe, lokale Währungen vor – alles Akteure einer Revolution von unten. Ich finde sein Buch sehr hoffnungsmachend – und habe vor allem nach den Energiewendedörfern gefragt – Allein in Deutschland gibt es schon 160 Dörfer, die ihre Energieversorgung in die eigene Hand genommen haben.

Können regionale Initiativen denn eine Revolution auslösen? Sie schaffen ja noch nicht das System ab.

Dr. Gausmann – Jein. Zum einen stimmt es, viele der Initiativen sind regional. Von oben gesehen, sieht das aber anders aus. Es geht für mich um eine Revolution von ganz unten. Das begann mit den Jahren 2007 und 2008, mit der Finanzkrise. Damals sahen sich Merkel und Finanzminister Steinbrück genötigt, vor die Kamera zu treten und zu sagen – «Die Ersparnisse sind sicher.» Das waren sie damals nicht und sind es heute auch nicht.

Damit begannen Widerstände und sind nicht mehr abgeebbt – Occupy Wall Street, der arabische Frühling, die Gelbwesten.

Im Kern geht der Kampf um die wichtigste Ware – Daten und Informationen. Die Sorge der Eliten war, den Kampf um diese Daten zu verlieren.

Man ist darauf verfallen, im Frühjahr 2020 erstmals in der Menschheitsgeschichte einen weltweiten Lockdown zu verhängen. Man hat die Weltbevölkerung gefangen gesetzt, um ihren Befreiungsimpuls zu stoppen.

Die Gesundheit ist dabei die Kernfrage. Wir haben alle nur ein Leben, eine Gesundheit. Durch die, wie wir inzwischen wissen, inszenierte Pandemie hat sich eine Bewegung entwickelt, die sich weiter ausbreitet. Das beginnt mit der Gesundheitsfrage, geht über auf die Pharmaindustrie und die Frage, warum Krankenhäuser eigentlich heute Profit machen müssen. Dann zur Lebensmittelproduktion – alle Fragen eines gesunden und sinnvollen Lebens. Diese Bewegung hat Kettenreaktionen ausgelöst. In Deutschland und anderen Ländern sind das die Bauernproteste. Da geht es auch um die Frage, soll das Schnitzel zukünftig günstig vom 3D-Drucker hergestellt werden, soll die Milch noch von der Kuh kommen oder billig künstlich produziert werden? Das verbindet sich alles zu einer Bewegung von unten für ein irdisches Leben und die Rückkehr zur Menschlichkeit.

Was muss sich im Kern ändern?

Die Menschen müssen lernen zusammenzuarbeiten. Wenn Menschen anfangen, sich gegen die Zumutungen zu wehren, denen sie ausgesetzt werden, ist das der erste Schritt. Wenn sie sich dann treffen, um über ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen, dann beginnt etwas Neues. Veränderung beginnt mit dem Bewusstsein, dass man zusammen stärker ist. Die wesentliche Bewusstseinsveränderung wird ausgelöst durch den Widerspruch zwischen dem Leben, was man lebt, und dem Leben, was uns davon erzählt wird. Da entsteht Skepsis. Und diese Skepsis, dieser Zweifel ist der Beginn. Es ist inzwischen gar kein Beginn mehr, sondern schon mittendrin und wird sich auch weiter entwickeln.

Wie geht es dann weiter?

Die Gründer dieser Netzwerke oder Gruppen überlegen entlang der Grundbedürfnisse – Was brauchen wir? Wohnen, Essen, Trinken, Kleidung, Energie, Gesundheitsversorgung, evtl. Pflege, Bildung, Infrastruktur für die Fortbewegung – um diese Dinge geht es. Zum Teil sind die Projekte auch viel älter und haben mit der Corona-Krise gar nichts zu tun. Da kann man entweder einfach mitmachen oder auch von ihnen lernen und schauen, wie machen die das, was wollen wir anders machen.

Wie gehen diese Initiativen mit Konflikten um? Denn die gibt es schliesslich überall.

Es gibt ganz grundsätzlich zwei Vorgehensweisen – Entweder will man Recht haben. Dann kann man die Folgen des Handelns ganz gut in den eigenen vier Wänden studieren. Oder man hat ein gemeinsames Ziel. Und wenn man ein Ziel hat, dann stellt man die Dinge, die trennen, auch mal beiseite und schaut, was kann ich tun, was kann mein Beitrag sein, bin ich grundlegend einverstanden, werde ich gehört, kann ich mich beteiligen, kann ich Vorschläge einbringen usw.

Uns interessieren besonders die Energiewendedörfer, von denen es in Deutschland ja schon 160 gibt, wie Sie schreiben. Sie decken ihren Strombedarf zu 100% und ihren Wärmebedarf zu 50% und zahlen Preise, von denen andere Verbraucher nur träumen können, um die 12ct. Wie geht das?

Es sind Dörfer und ländliche Regionen mit Nutztieren und Produktion, die schauen, wie können wir unsere bestehenden Ressourcen für die eigene Energieerzeugung im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzen. Wie macht man das? Die Biomasse nutzen, Hackschnitzel aus Holzabfällen, Solar - in der Regel sind sie als Genossenschaft organisiert mit einer sehr hohen Beteiligung der Bewohner. Neben Wärme und Strom gibt es sogar Dörfer, die ihren eigenen Treibstoff aus Raps produzieren. Bsp. Rettenbach im Allgäu hat sogar eine eigene Währung eingeführt, den Weichbergtaler. Und mit dem Weichbergtaler kann man im Ort einkaufen, Wurst und Käse und die Handwerker bezahlen, sogar die Gemeindesteuern.

Die Auslagen des ehrenamtlichen Bürgermeisters werden auch in Weichbergtaler bezahlt. Aber man damit nicht Amazon und andere bezahlen. Eben nur vor Ort, man finanziert damit die Kreislaufwirtschaft.

Zu den Energiewendedörfern gibt es die Kritik, dass die Energie mit einem hohen Flächenverbrauch erkauft wird, der dann von der Lebensmittelproduktion abgeht.

Das halte ich zumindest teilweise für ein Scheinargument. Schauen Sie doch mal, wie viele Flächen durch Windkraftanlagen und Solaranlagen verbraucht werden! In den Dörfern wird ja das genutzt, was ohnehin da ist. Mehr findet man unter energiewendedörfer.de - inklusive einer Anleitung, wie man ein Energiewendedorf startet, wie man da vorgeht.

Auf jeden Fall ist eine dezentrale Lösung schon deshalb überzeugender, weil der Strom ja allein durch den Transport Verluste von bis zu 50% hat.

Ja, und an den Transportkosten gewinnt jemand, diesen Profit machen die dezentralen Energiewendedörfer zunichte. Ganz davon abgesehen, dass die Energieversorgung heute immer komplizierter wird, angefangen von Russland seit dem Ukrainekrieg über die viel teureren LNG-Gase aus den USA. Also das Argument würde ich damit vom Tisch wischen.

Sie beschreiben geldfreie Netzwerke und Gemeinden. Sind die wirklich nachhaltig?

Es gibt weltweit 14.000 Komplementär-Währungen, da sind Kryptowährungen enthalten. Demgegenüber gibt es ca. 160 nationale Währungen. So ist die Grössenordnung. Die existieren in Papierform, Münzform und elektronisch parallel zur nationalen Währung und werden eingesetzt als Tauschmittel. Das wichtigste daran ist, dass man sie nicht horten, nicht sparen kann. Man nimmt dem Geld den Jokervorteil, von dem immer die Rede ist – also man Äpfel nicht aufheben, weil sie dann verfaulen, Eisen rostet, alles andere verdirbt, bloss das Geld, das können wir sparen. Die Komplementärwährungen sind ganz häufig Schwundwährungen, die im Laufe der Zeit an Wert verlieren. Dann macht es keinen Sinn, sie zu sparen. Das klassische Beispiel dafür ist Wörgl in Tirol, wo dieses Experiment 14 Monate lang in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts sehr gut funktioniert hat. Und das gibt es heute eben auch.

Lernen die Menschen in den Initiativen die Qualitäten für eine menschliche Revolution?

Dass Menschen lernen, etwas zusammen zu tun, heisst nicht, dass sie automatisch ans Ziel kommen. Es heisst zunächst mal nur, dass sie zusammenkommen und über ihre Zukunft sprechen. Auch über ihre Ängste, Sorgen und so weiter. Zum Beispiel ältere Frauen mit einer schmalen Rente, die denken, hoffentlich werde ich nicht krank, denn das ist das schlimmste, allein, kein Geld und auch noch krank - wo bleibe ich dann. Das ist kein Einzelfall, das sind Massenentwicklungen. Und darauf gemeinsam Lösungen zu finden - Gemeinschaften, Pflegebauernhöfe, Helfernetzwerke - da gibt es vieles, was man gemeinsam tun kann. Das belegt, dass es in die richtige Richtung geht aber es gibt keinen Automatismus dort. Und es steht alles unter dem Friedensvorbehalt. Wenn die mit Atomwaffen kommen, sieht es ganz düster aus. Deshalb ist der Einsatz für den Frieden und für Abrüstung das wichtigste, was wir gerade tun können. Und Kriege sind ja auch Ausdruck von ungleichen ökonomischen Situationen, wo es um Macht und Herrschaft, Land und Bodenschätze geht. Es ist wichtig, das zu erkennen, bei richtiger Analyse zieht man die richtigen Schlussfolgerungen.

Wovon müssen wir uns verabschieden, um eine menschlichere Welt zu haben?

Politisch von der Hegemonie des Westens. Die Welt ist multipolar aufgebaut, es entstehen andere Bündnisse, der Westen hat bereits ganz Afrika verloren.

Ökonomisch vom Profitdenken, das darin besteht, immer mehr haben zu wollen und aus Geld immer mehr Geld zu machen.

Auch die Warenproduktion brauchen wir so nicht mehr bzw. eine andere. Waren zu kaufen, die wir nicht brauchen, mit Geld, das uns nicht gehört, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht mögen - das macht keinen Sinn mehr. Es muss ja nur reichen. Wenn der Bedarf gedeckt ist, ist es schon in Ordnung.

Und die Anhäufung von Vermögen muss verhindert werden - Erbschaftsvermögen usw.

Und weltanschaulich zurück zur Menschlichkeit. Was wirklich wichtig ist. Eugen Drewermann fragte mal: Was hält Sie wirklich, wenn alle Stricke reissen? Wenn man die Frage still für sich beantwortet, kommt man schnell darauf, was wichtig ist im Leben. Das heisst nicht, dass man kein Haus braucht oder kein Auto. Aber der Wertekanon verschiebt sich und die Bedeutung von dem, worauf es wirklich ankommt.

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